Lässt sich der vorgeschriebene „intelligente Geschwindigkeitsbegrenzer“ in Neuwagen abschalten?

Neue Autos sind ab dieser Woche mit automatischen Geschwindigkeitsbegrenzern ausgestattet. Die sogenannten intelligenten Geschwindigkeitsassistenten ermahnen bei zu schnellem Fahren und drosseln notfalls selbst die Motorleistung. Kann man sie ausschalten?
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Automatisch ausgebremst: Seit dem 7. Juli 2024 müssen neue Fahrzeuge in der EU serienmäßig mit intelligenten Geschwindigkeitsassistenzsystemen (ISA) ausgestattet sein.Foto: anyaberkut/iStock
Von 12. Juli 2024

Seit dieser Woche, seit dem 7. Juli 2024, müssen laut EU-Verordnung (2019/2144, Ergänzung 2021/1958) alle Kraftfahrzeuge der Klassen M (Auto-, Wohnmobile und Busse) und N (z.B. Lkw, Lieferwagen) mit hoch entwickelten Fahrerassistenzsystemen (auf Englisch Intelligent Speed Assistance System, ISA) ausgerüstet sein.

Diese „intelligenten Geschwindigkeitsassistenten“ weisen mit akustischen und optischen Warnungen darauf hin, falls die erlaubte Geschwindigkeit überschritten wird. Diese Systeme können den Fahrer auch daran hindern, vorgegebene Geschwindigkeitsbeschränkungen zu übertreten.

Ausgebremst durch das System

Die Technologie kann, einfach ausgedrückt, die Geschwindigkeit eines Fahrzeugs automatisch begrenzen. Das System nutzt eine Kombination aus GPS-Daten, Satellitennavigation und Kameras zur Erkennung von Geschwindigkeitsschildern sowie nach vorn gerichteten Kameras, um zu ermitteln, wie hoch die zulässige Höchstgeschwindigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt ist und ob das Fahrzeug sie überschreitet.

In einem solchen Falle wird der Fahrer aufgefordert, die Geschwindigkeit zu verringern – und wenn er das nicht tut, greift das System ein, indem die Motorleistung bis zur zulässigen Geschwindigkeit reduziert wird.

Der nörgelnde Assistent

Das Geschwindigkeitsbegrenzungssystem wird nicht einfach eingreifen. Vielmehr kommt ein Vorgehen zur Anwendung, das in der Autoindustrie mit „nagging“, auf Deutsch Nörgeln, bezeichnet wird. Sobald der digitale Assistent erkennt, dass ein Tempolimit überschritten ist, wird der Fahrer gewarnt. Die Warnung erfolgt entweder durch einen visuellen Warnhinweis auf dem Bildschirm, einen akustischen Hinweis oder eine haptische Benachrichtigung, bei der das Lenkrad sanft vibriert, wenn der Grenzwert überschritten wird. Die Hersteller können eine Kombination aus diesen beiden Möglichkeiten oder alle drei verwenden.

Beim Ignorieren dieser Warnungen bremst das System das Fahrzeug automatisch ab, indem es die Motorleistung drosselt. Obwohl die Bremsen nicht betätigt werden, wird der Fahrer gewissermaßen ausgebremst.

Idee der EU hinter dem Geschwindigkeitsassistenten

Das Europäische Parlament hatte 2019 beschlossen, die ISA-Technologie einzuführen. Die Technologie wurde vom Europäischen Rat für Verkehrssicherheit mit dem Argument empfohlen, dass das ISA die Zahl der Verkehrsunfälle um 30 Prozent und die Zahl der Verletzten um 20 Prozent reduzieren könnte. Seit dem 6. Juli 2022 musste jedes neue Modell, das zum ersten Mal auf den Markt kommt, laut EU-Recht mit dieser Technologie ausgestattet sein. Seit dem 7. Juli 2024 muss ISA sich in jedem Neufahrzeug befinden.

Die verpflichtende Einführung des Fahrassistenten bedeutet auch, dass Autohersteller die Technologie in einigen schon lange auf dem Markt existierenden Modellen nachrüsten müssen. Ein Beispiel hierfür ist der VW Touran, der in seiner aktuellen Version seit 2015 verkauft wird.

Ist das System auszuschalten?

Kann man dem bimmelnden und piependen Assistenten den Einsatz verbieten?

Die Antwort ist „Ja“. Oder besser „Jein“. Denn es gilt: nur für kurze Zeit.

Wer den ISA-Assistenten außer Kraft setzen will, muss das Gaspedal nur stark genug betätigen, um vorübergehend das System zu deaktivieren, beispielsweise um ein langsameres Fahrzeug zu überholen. Dem Fahrzeug ist es erlaubt, die zulässige Höchstgeschwindigkeit für eine kurze Zeit zu überschreiten, direkt im Anschluss werden die Warnungen wieder aktiviert.

Geschwindigkeitsassistent startet automatisch neu

Gemäß der EU kann der Geschwindigkeitsassistent auch ganz ausgeschaltet werden. In der Verordnung steht (2019/2144):

„Es sollte möglich sein, intelligente Geschwindigkeitsassistenten abzuschalten, wenn ein Fahrer z.B. als Folge von widrigen Witterungsverhältnissen, widersprüchlichen vorübergehenden Straßenmarkierungen in Baustellen oder irreführenden, mangelhaften oder fehlenden Verkehrszeichen falsche Warnungen oder unangemessenes Feedback erhält. Eine solche Abschaltfunktion sollte unter der Kontrolle des Fahrers sein. Sie sollte es möglich machen, dass der intelligente Geschwindigkeitsassistent vom Fahrer so lange wie nötig – abgeschaltet und leicht wieder eingeschaltet werden kann.“

Eine dauerhafte Abschaltung jedoch ist nicht vorgesehen. Das System wird regulär bei jedem Anlassen des Motors automatisch aktiviert, sodass Autofahrer es vor jeder Fahrt ausschalten müssen.

Wie einfach diese zeitweilige Deaktivierung des Systems ist, hängt vom Hersteller ab. Bei Renault reicht das lange Drücken einer Taste am Lenkrad. Auch bei Modellen von Mercedes, BMW und Porsche lässt sich das ISA-System häufig durch einen langen Tastendruck am Lenkrad vorübergehend deaktivieren. Volvo wirbt auf seiner Website damit, dass man das Blinken und Piepen leicht abstellen kann: „Mit der linken Lenkradtaste kann der Fahrer die akustische Warnung aktivieren und deaktivieren.“

Nicht bei allen Herstellern ist das Abstellen einfach. Bei einigen Modellen muss man sich dafür durch das Menü des Bordcomputers klicken.

Ausweitung der Auto-Kontrollsysteme

Die EU-Verordnung ist Teil des dritten Pakets „Europa in Bewegung“ der Europäischen Kommission, „das einen reibungslosen Übergang zu einem sicheren, sauberen und automatisierten Mobilitätssystem gewährleisten soll“. Neben dem „Intelligent Speed Assistance“ (ISA) sieht die Verordnung weitere Kontrollsysteme als feste Ausstattung in Autos vor. Unter anderem ist seit 2022 auch eine Schnittstelle vorgeschrieben, um die Fahrzeuge mit einem Atemalkoholmessgerät beziehungsweise alkoholempfindlichen Wegfahrsperren (Alcolock) nachzurüsten zu können.

Ein Warnsystem, das bei Müdigkeit und nachlassender Konzentration des Fahrers aktiv wird, wird künftig ebenso Standard sein wie Notbremslicht, Notfallspurhalte- und Rückfahrassistent, ein Sicherheitsgurtwarnsystem und ein präzises Reifendrucküberwachungssystem.

Auch wenn ab sofort Neuwagen mit ISA und anderen Kontrollsystemen ausgestattet sein müssen, ist eine Nachrüstung von Fahrzeugen in der Verordnung nicht vorgesehen.



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